Ambitionsniveaus der Führungstransformation

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Ambitionsniveaus der Führungstransformation

Warum Führungstransformation Ambitionsniveaus braucht

Die Anforderungen an Führung haben sich im Zuge tiefgreifender Veränderungen der Arbeitswelt fundamental gewandelt. Klassische Führungskonzepte geraten zunehmend an ihre Grenzen, wenn Organisationen auf die Herausforderungen von VUCA-Umwelten (volatil, unsicher, komplex und ambivalent) reagieren müssen. Gerade Banken und öffentliche Institutionen sehen sich mit wachsenden Anforderungen an Agilität, Kundenfokus und Innovationsfähigkeit konfrontiert – und stehen dabei häufig vor der Frage: Wie tiefgreifend soll eine Führungstransformation wirklich sein?

In einem Strategieworkshop mit dem Vorstand der Sparkasse Bayreuth wurde genau diese Frage systematisch erörtert. Ziel war es, ein gemeinsames Verständnis für die Zielrichtung und den Umfang der angestrebten Transformation zu schaffen. Um Orientierung zu geben, wurde ein Ambitionsfächer entwickelt, der die verschiedenen Entwicklungsebenen einer Führungstransformation von der individuellen Kompetenzentwicklung bis hin zur vollständigen Reorganisation in fünf Stufen strukturiert.

Dieser Beitrag beschreibt das Modell und gibt praxisnahe Impulse zur Anwendung – fundiert durch zentrale Konzepte der angewandten Personal-, Prozess- und Organisationsentwicklung:

  • Personalentwicklung im Sinne individueller Kompetenz- und Laufbahnentwicklung,
  • Prozessentwicklung entlang von Wertströmen und agilen Steuerungslogiken sowie
  • Organisationsentwicklung als ganzheitlicher Wandel organisationaler Strukturen und Kulturen.

Der Ambitionsfächer ermöglicht es Entscheidungsträger, Transformationsprojekte systematisch zu kalibrieren: von punktueller Qualifizierung bis hin zu struktureller Reorganisation – je nach strategischem Ziel und Veränderungsbereitschaft der Organisation. Es soll auch helfen den eigenen Ist-Stand zu erfassen und dann sich durch die Definition des Transformationsumfangs sich dem Zielniveau iterativ zu nähern.

Stufe 1: Rolle der Führungskraft stärken – Personalentwicklung nutzen

Diese erste Stufe fokussiert sich auf individuelle Führungskompetenzentwicklung. Es geht darum, ein gemeinsames Verständnis der Führungsrolle zu etablieren – jenseits von disziplinarischer Führung. Zentrale Fragen lauten: Welche Werte vertreten wir als Führungskräfte? Welche Aufgaben übernehmen wir im Alltag? Welche Kompetenzen sind dafür notwendig?

🔧 Konkrete Maßnahmen:

  • Entwicklung eines Führungsleitbilds in Workshopformaten
  • 360° Feedback mit individueller Entwicklungsplanung
  • Kompetenzmodelle mit Soll-Ist-Abgleich 
  • Etablierung von Entwicklungsdialogen mit HR
  • Schulungsreihen zu Selbstführung, Kommunikation & Veränderungsbegleitung

🎯 Wirkung:

  • Geschäftsfähigkeit: Führungskräfte handeln klarer, entscheiden souveräner, delegieren effektiver
  • Kulturwandel: Erste Schritte zur Reflexion über das Führungsverständnis
  • Arbeitgeberattraktivität: Sichtbare Investition in Führungskräfteentwicklung stärkt das Employer Branding

✅ Chancen:

  • Identitätsbildung der Führungskräfte („Wir als Führungsteam“)
  • Verbesserung der Kommunikationskultur
  • Schnell sichtbare Erfolge auf individueller Ebene

⚠️ Herausforderungen:

  • Geringe Reichweite ins System (beschränkt auf Individuen)
  • Potenzial zur Überforderung ohne strukturelle Begleitung
  • Gefahr: „Training statt Transformation“

Stufe 2: Führung im Team gestalten – Teamentwicklung nutzen

In Stufe 2 wird Führung als soziales System gedacht: Die Führungskraft agiert im Zusammenspiel mit dem Team. Es geht nicht nur darum, die eigene Rolle zu klären, sondern gemeinsam Teamwerte, Rollen, Prozesse und Reflexionsformate zu entwickeln. Die Führungskraft wird Teamentwickler und Rahmengeber. Führungskräfte sorgen gezielt für Teamdynamiken und halten Retrospektiven ab.

🔧 Konkrete Maßnahmen:

  • Team-Rollenklärung (z. B. RACI, Belbin, Reiss)
  • Einführung von Retrospektiven, Daily Check-Ins, Team-Zielen
  • Etablierung von Moderationsformaten wie Teamtage, Lernreisen
  • Nutzung von Teamdiagnostik (z. B. Reifegradmodelle, Teamcanvas)
  • Integration agiler Denkweisen (Inspect & Adapt) in die Teamarbeit

🎯 Wirkung:

  • Geschäftsfähigkeit: Teams arbeiten effektiver und selbstorganisierter
  • Kulturwandel: Zusammenarbeit wird dialogischer und lösungsorientierter
  • Arbeitgeberattraktivität: Mitarbeitende erleben Wirksamkeit und Selbstgestaltung im Alltag

✅ Chancen:

  • Erhöhte Teamperformance durch Rollen- und Zielklarheit
  • Bindung durch Wir-Gefühl und Beteiligung
  • Führungsnachwuchs kann informell gestärkt werden

⚠️ Herausforderungen:

  • Reibung durch unklare Abgrenzung von Team- vs. Führungsaufgaben
  • Hoher Moderationsbedarf
  • Gefahr der Überindividualisierung („Jedes Team macht es anders“)

Stufe 3: Karrieren und Kompetenzen neu denken – Personal- und Prozessentwicklung verknüpfen

Hier wird Führung weiter dezentralisiert und durch neue Karrierewege ergänzt. Es entstehen differenzierte Entwicklungspfade: Fachlaufbahn, Projektlaufbahn, disziplinarische Führung. Kompetenzen werden prozessorientierter beschrieben und über Rollenprofile neu verortet. Abgrenzung zu Stufe 2: Nicht nur das Team selbst verändert sich – sondern die gesamte Architektur von Entwicklungsmöglichkeiten und Anerkennung. Die Führungstätigkeit spezialisiert sich mehr auf Aspekte wie Personalführung oder fachlicher oder prozessualer Führung.

🔧 Konkrete Maßnahmen:

  • Entwicklung eines Laufbahnmodells mit klaren Kriterien (z. B. Fach-, Führungs-, Projektlaufbahn)
  • Aufbau einer Kompetenzdatenbank für Rollen- und Aufgabenmatching
  • Einführung eines Karrierecoachings (Peer oder HR-basiert)
  • Gestaltung lateraler Führung (z. B. Kapitelverantwortung, Lead Experts)

🎯 Wirkung:

  • Geschäftsfähigkeit: Die Organisation nutzt gezielt Fachkompetenz für komplexe Themen
  • Kulturwandel: Führung wird als geteilte Verantwortung etabliert
  • Arbeitgeberattraktivität: Mitarbeitende sehen Entwicklungsperspektiven jenseits von „Chef werden“

✅ Chancen:

  • Höhere Motivation durch individuell passende Entwicklungspfade
  • Entlastung von Führungskarrieren als einziger Aufstiegschance
  • Transparenz über Anforderungen und Entwicklungschancen

⚠️ Herausforderungen:

  • Hoher Abstimmungs- und Strukturierungsaufwand
  • Risiko: Ungleichgewicht bei Anerkennung und Vergütung
  • Trennung von Status und disziplinarischer Macht oft kulturell schwierig

Stufe 4: Prozessstruktur neu aufstellen – Organisation entlang der Wertschöpfung denken

Diese Stufe markiert den Übergang in die organisatorische Transformation. Hier stehen Prozesse im Fokus – nicht mehr Teams oder Individuen allein. Führungslogik richtet sich an Abläufen aus: Wer verantwortet welche Ergebnisse im Kundenprozess? Die Zusammenarbeit erfolgt bereichsübergreifend und wird von synchronisierten Planungs-, Review- und Lernzyklen begleitet. Das heißt, Führungskräfte sorgen dafür, dass große Teile oder die gesamte Organisation in ähnlichen Planungs- und Arbeitsrhythmen unterwegs sind, wie eine Rudermannschaft, die im gleichen Takt am besten voran kommt.

🔧 Konkrete Maßnahmen:

  • Einführung von Prozessverantwortlichen (z. B. Process Owner, Value Stream Owner)
  • Aufbau von Bereichsübergreifenden Runden (z. B. Kollegiale Beratung, Gilden)
  • Abstimmung von Zielsystemen entlang von End-to-End-Prozessen
  • Einführung synchroner Steuerungslogiken (z. B. OKRs, PI Plannings)

🎯 Wirkung:

  • Geschäftsfähigkeit: Die Organisation reduziert Reibungsverluste an Bereichsgrenzen
  • Kulturwandel: Hierarchie tritt hinter gemeinsame Verantwortung zurück
  • Arbeitgeberattraktivität: Modernes Arbeiten in crossfunktionalen Settings wirkt auf Talente anziehend

✅ Chancen:

  • Bessere Abstimmung, weniger Reibungsverluste
  • Gemeinsamere Zielorientierung über Bereichsgrenzen hinweg
  • Reale Chancen für crossfunktionales Lernen

⚠️ Herausforderungen:

  • Auflösung alter Bereichslogiken kann Ängste erzeugen
  • Rollenklarheit bei neuen Funktionen notwendig
  • Steuerungsmodelle müssen neu gedacht werden (z. B. Ressourcenverteilung)

Stufe 5: Aufbauorganisation radikal transformieren – Strukturelle Organisationsentwicklung

Diese letzte Stufe bedeutet eine tiefgreifende Veränderung der Organisationslogik an sich. Klassische Hierarchien, Abteilungen und Rollen können durch Netzwerkorganisationen, agile Tribes, themenbasierte Kreise oder kundenorientierte Zellstrukturen ersetzt werden. Leadership erfolgt kontext- und teambasiert. Führung verliert hier oft seine traditionelle Form und fokussiert stärker das managen und coachen von Veränderung.

🔧 Konkrete Maßnahmen:

  • Piloten mit agilen Einheiten oder selbstorganisierten Teams (z. B. in Digitalisierung, Innovation)
  • Einführung agiler Betriebsmodelle (z. B. nach Spotify-, Holacracy-, Cell- oder Flight Levels-Logik)
  • Etablierung eines Transformationsteams mit Change-, Kultur- und Personalverantwortung
  • Abschaffung klassischer Bereichsgrenzen zugunsten von Wertstromlogiken

🎯 Wirkung:

  • Geschäftsfähigkeit: Die Organisation wird schnell, kundenzentriert und resilient
  • Kulturwandel: Rollen, Macht und Verantwortung werden neu verhandelt
  • Arbeitgeberattraktivität: Organisation wird als Pionier für zukunftsfähiges Arbeiten sichtbar

✅ Chancen:

  • Attraktiv für innovationsfreudige, selbstverantwortliche Talente
  • Reaktionsfähigkeit auf Markt- & Kundenanforderungen
  • Erhöhung der Veränderungskompetenz im System

⚠️ Herausforderungen:

  • Risiko von Überforderung ohne stabile Begleitung
  • Verlust vertrauter Strukturen und Führungssicherheit
  • Dauerhafte Transformationsenergie nötig – auch von oben

Fazit: Führung transformieren heißt Organisation verändern

Führung ist längst mehr als individuelle Verantwortung – sie ist ein organisationales Gestaltungsprinzip. In Zeiten zunehmender Komplexität, Fachkräftemangel und demografischer Umbrüche gewinnen neue Formen der Führung an Bedeutung: geteilt, prozessorientiert und subsidiär. Das Vertrauen in die Expertise der Mitarbeitenden sowie die Fähigkeit, Entscheidungen dort zu treffen, wo sie anfallen, werden zum Erfolgsfaktor zukunftsfähiger Organisationen.

Der hier vorgestellte Ambitionsfächer zeigt: Eine Transformation der Führungskultur ist keine homogene Bewegung, sondern kann in unterschiedlichen Tiefen und Breiten gestaltet werden. Doch je höher das Ambitionsniveau, desto stärker greifen Personalentwicklung, Prozessdenken und Organisationslogik ineinander. Gerade der Übergang zu einer Ablauforganisation – mit neuen Karrierewegen, lateraler Führung und teamnaher Entscheidungsfähigkeit – markiert den Beginn echter Veränderung.

Führung strategisch zu transformieren, heißt daher auch, die Organisation neu zu denken: weniger Hierarchie, mehr Verantwortung – weniger Strukturtreue, mehr Wertstromlogik. Es braucht Mut, klare Ambitionen und ein gemeinsames Zielbild, um diesen Wandel nachhaltig zu gestalten.Ambitionsniveaus der Führungstransformation

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